„Ich habe ausgerechnet, dass meine Eltern nur 6.000 Griwna verdienen. Jetzt verstehe ich, warum meine Mutter mir keine Jacke kaufen kann und warum die Arbeit in unserem Gemüsegarten so wichtig für meine Familie ist.“ Erstaunt rechnet Anja das Budget ihrer Familie zusammen. In unserem „Zufluchtsort“ in Pawliwka behandeln wir heute die Themen: „Wie spart man Geld?“ „Wie verteile ich mein Geld richtig.“ „Wie vermeide ich finanzielle Schwierigkeiten.“

Viele Kinder kommen mit schmutzigen, nassen und kalten Füßen in unsere Kinderhäuser. Die Zähne klappern vor Kälte, besonders in der kalten Jahreszeit. Selbst wenn die Kinder Stiefel über die nackten Füße ziehen, spüren sie den Frost. Regelmäßig verteilen wir in unseren Häusern warme, kuschelige Socken an alle Mädchen und Jungen. Sie freuen sich riesig über solch ein wertvolles Geschenk! Wenn die Füße warm sind, geht es ihnen gut.

In den vergangenen Monaten wurden zahlreiche Familienväter zum Militär eingezogen. „Wer wird der Nächste sein? Wann wird es unseren Vater treffen?“ In vielen Familien herrscht große Angst und Unsicherheit. Jeden Tag versuchen Frauen ihre Männer an der Front anzurufen, um zu erfahren, wie es ihnen geht. Sie erzählen ihnen, was in ihren Familien gerade passiert. Es ist eine riesige Freude, wenn die Männer für einige Tage nach Hause fahren dürfen.

Die massiven Raketenangriffe auf die Ukraine führten letzte Woche dazu, dass wir unsere Kinderhäuser schließen mussten. Die Luftschutzsirenen heulten mehrere Stunden ununterbrochen. Familien waren gezwungen, sich in einem Luftschutzbunker oder Kellerraum aufzuhalten. Wenn möglich, besuchten unsere Mitarbeiter Familien, die unsere Unterstützung besonders benötigen. Wir brachten Lebensmittelpakete vorbei, ermutigten die Menschen und versuchten Ängste zu lindern.

Der Krieg in der Ukraine tobt weiter. Immer wieder ertönen Sirenen und warnen vor Bombenangriffen. Angst und Unsicherheit bestimmen den Tagesablauf. Die Lebensmittel sind teuer. Die Preise steigen ständig. Für unsere Häuser haben wir viel Gemüse eingekocht und Grundnahrungsmittel gekauft. „Hier riecht es aber lecker. Luba, was hast du heute für uns gekocht?“, will Dennis wissen, als er „Villa Sonnenschein“ betritt.

„Das Brot ist heilig!“ An diesen Satz ihrer Großmütter erinnern sich etliche unserer Mitarbeiter. Während ihrer Kindheit haben sie diese Worte oft gehört. Die Großmütter, die den 2. Weltkrieg miterlebt haben, wussten, wie wertvoll Brot zum Überleben ist. Viele Flüchtlinge, die aus den russisch besetzten Gebieten nach Switlowodsk kommen, erzählen, dass sie mehrere Monate lang kein Stück Brot mehr in der Hand hatten.

Nachdem in den vergangenen Tagen etliche ukrainische Städte massiven Bombardierungen ausgesetzt waren, wurde in manchen Gebieten das Stromsystem stark beschädigt oder ist komplett ausgefallen. In ganzen Landesteilen gibt es keinen Strom mehr. Diese Stromengpässe wirken sich natürlich auch auf die Wasserversorgung aus. Die Regierung hat die Bevölkerung aufgefordert, wo immer es möglich ist, Strom zu sparen.

Die Realität in der Ukraine ist grausam und unbarmherzig. Menschen sterben, Städte werden zerstört, es ist kein Ende in Sicht. Viele Flüchtlinge wollen in Switlowodsk bleiben, können nicht zurück in ihre Heimatorte. Sie wollen den Winter hier verbringen. Die Sozialleistungen des Staates sind gering, die Menschen brauchen Lebensmittel, müssen die Miete bezahlen. Das gesparte Geld reicht nicht mehr. Wir helfen den Flüchtlingen. Wir verteilen Lebensmittel.

„Wir sind so dankbar, dass Sie uns im Frühjahr und Sommer geholfen haben, Hühner und Schweine zu kaufen. Jetzt haben wir sie geschlachtet und können das Fleisch, das wir nicht selbst benötigen, verkaufen“. „Vielen Dank für die warme Kleidung für unsere vier Töchter. Ihre Hilfe kam genau zum richtigen Zeitpunkt.“ „Danke für das Schweißgerät für meinen Sohn. Dima hat schon einen Zaun repariert und ein Tor geschweißt. Er möchte gerne Schweißer werden.“

„Tante Aliona, ich habe riesengroße Angst. Im Radio haben sie erzählt, dass die Gefahr besteht, dass eine Atombombe auf unser Land geworfen wird.“ Tamara steht traurig vor unserer Erzieherin. Es ist wichtig, dass wir ehrlich mit unseren Kindern reden. Auch wir Erwachsenen haben Angst. Trotzdem können wir die Gefahr nicht ignorieren. In speziellen Unterrichtseinheiten besprechen wir mit den Kindern, wie man sich in bedrohlichen Situationen verhalten soll.

Nastja ist ein 14-jähriges Mädchen aus einer großen Familie. Bereits als kleines Mädchen kam sie in unseren „Zufluchtsort“ nach Odariwka. Wir haben ihr Verantwortungsbewusstsein und Ordnung beigebracht. Heute ist Nastja ein Teenager, der seinen Platz im Leben sucht. Wir konnten ihr immer mehr Aufgaben übertragen, die sie gerne übernahm. Nastja leitet eigenverantwortlich Handarbeitsstunden. Sie webt mit den Kindern, fertigt Armbänder und andere Kunstwerke aus bunten Perlen.

Familie Kutz wohnt in Odariwka, einem kleinen „verlassenen“ Dorf. Zur Familie gehören sechs Kinder. Sie leben in einem alten Haus, das mit Holz beheizt wird. Die Eltern haben keine Arbeit. Da die Sozialleistungen häufig zu spät ausgezahlt werden, ist es für die Mutter schwierig, die notwendigsten Lebensmittel zu kaufen. Die Eltern arbeiten hart, haben Gemüse im Garten angebaut, um zu überleben. Die Kinder besuchen seit vielen Jahren unseren „Zufluchtsort“ in Odariwka.

„Das Leben ist so schwer. Wir wissen nicht, wie es weitergehen wird. Noch nie haben wir jemanden um Hilfe gebeten. Aber jetzt haben wir Angst, wenn wir in die Zukunft blicken.“ Frau Korolenko ist mutlos und weiß nicht mehr weiter. Die Familie arbeitete hart, damit es ihren sechs Kindern an nichts fehlt. Aber mit Ausbruch des Krieges wurde ihr Leben unerträglich. Fünf der Kinder haben wir in unserem „Tageskinderheim am See“ aufgenommen.

„Ich würde so gerne selbst ein Märchen lesen und einen Brief an meine Oma schreiben“, meint Mascha. Vor einem Jahr kam sie in die erste Klasse, hat bis heute nicht lesen und schreiben gelernt. Wegen der Corona-Pandemie und dem Krieg fand der Schulunterricht zum großen Teil als Fernunterricht statt. Viele Kinder haben keinen Internetanschluss und bekommen keine Unterstützung der Eltern. Während der Ferien haben wir in unserem „Zufluchtsort“ in Pawliwka Nachhilfestunden organisiert.

„Mama, schau mal, ich habe die reifen Paprika geerntet. Jetzt pflücke ich noch ein paar Birnen.“ Dascha stellt den Eimer mit dem Gemüse in die Küche. „Mama, das müssen wir alles noch einkochen. Da haben wir viel Arbeit vor uns.“ Es ist Erntezeit. Die Gerüchte über einen harten Winter hört man an jeder Straßenecke. Jede Frau und ihre Kinder sind beschäftigt, Gemüse und Obst zu ernten und einzuwecken. Auch in unseren Kinderhäusern wird in den Küchen fleißig gearbeitet.